Am 20.07.16 wurde der Verfasser von einer Kaufland-Kassiererin um Rat gefragt. Sie war erst seit 5 Wochen in dem Markt tätig und wegen eines Kassierfehlers von der Marktleiterin mündlich
gekündigt und nach Hause geschickt worden. Der Vorgang konnte natürlich keine fristlose Kündigung rechtfertigen. Auch wurde die nach § 623 BGB geforderte Schriftform nicht eingehalten, die
Kündigung war deshalb nichtig. Ihr wurde vom Verfasser geraten, die nächsten zwei Tage zur Arbeit zu erscheinen, sich wieder nach Hause schicken zu lassen, den Arbeitgeber mit der wiederholten
Verweigerung nach § 615 BGB in Annahmeverzug zu setzen und das durch einen Zeugen beobachten zu lassen, was die Kassiererin auch tat.
Als ihr für Juli nur ein gekürztes Gehalt gezahlt wurde und sie das bei der Kaufland Dienstleistungs-GmbH & Co. KG, die die Personalverwaltung als Dienstleistung für die übrigen Kaufland-GmbH
& Co. KGs erbringt, deswegen anrief, wurde ihr ein unentschuldigtes Fehlen ab dem 21.07.16 vorgeworfen, weshalb man den Lohn gekürzt hätte. Die routinierte Antwort ließ nur den Schluss zu,
dass dies eine Masche war, um sich von der Lohnzahlung während der – in der Probezeit sowieso recht kurzen – Kündigungsfrist zu drücken. Auf eine entsprechende Anfrage gab die Gewerkschaft ver.di
die Auskunft, dass man diese Vorgehensweise kenne. Erst nachdem sie beim zuständigen Arbeitsgericht Klage eingereicht hatte erhielt sie Anfang September ein Kündigungsschreiben.
Wahrscheinlich hat diese Verfahren System. Zunächst wird ein Vorgang provoziert, der keine fristlose Kündigung rechtfertigen würde, nach dem die Arbeitnehmer aber trotzdem sofort nach Hause
geschickt werden. Bei der Gehaltsabrechnung wird ihnen dann vorgeworfen, sie hätten unentschuldigt gefehlt und während der Kündigungsfrist werden nur unbezahlte Fehlzeiten abgerechnet. Man kann
nachvollziehen, dass man gekündigtes Kassenpersonal während der Kündigungsfrist dort nicht weiter beschäftigen will. Trotzdem gelten die Gesetze auch für die Kaufland GmbH & Co. KGs. Nach der
gültigen Rechtslage hätte man die gekündigten Mitarbeiter während der Kündigungsfrist bei vollen Bezügen von der Arbeit freistellen oder in einer anderen zumutbaren Funktion beschäftigen
müssen.
Mit dem Verhalten, noch nicht einmal formal korrekt gekündigte Mitarbeiter sofort nach Hause zu schicken und ihnen anschließend grundlos vorzuwerfen, sie hätten unentschuldigt gefehlt, haben die
Verantwortlichen in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass Sie durch Vorspiegelung falscher
oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt haben. Sie wollten wohl nicht nur dieser Kassiererin einreden, sie hätte trotz Annahmeverzugs des Arbeitgebers
keinen Gehaltsabspruch. Sie haben dabei gewerbsmäßig und fortgesetzt gehandelt, strafbar als schwerer gewerbsmäßiger Betrug nach § 263 Abs. 3 Nr. 1 StGB, in Tateinheit mit einem Vorenthalten und
Veruntreuen von Arbeitsentgelt i.S.v. § 266a Abs. 1 StGB. Es wäre auch zu prüfen, ob das Management der Schwarz-Gruppe die Filialleitungen entsprechend angewiesen hat und damit als eine Bande
anzusehen ist, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 verbunden hat, was nach § 263 Abs. 5 StGB eine Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu
zehn Jahren zur Folge hätte.
Es sollte an dieser Stelle ergänzt werden, dass es Kaufland als Unternehmen so nicht gibt. Die Kassiererin hatte ihren Arbeitsvertrag mit der Kaufland Vertrieb 35 GmbH & Co. KG geschlossen.
Die Filiale trat aber auch unter dem Namen Handelshof GmbH & Co KG auf. Dann gibt es noch die Kaufland Vertrieb ALPHA GmbH & Co. KG. Die Gehaltsabrechnung kam von der Kaufland
Dienstleistung GmbH & Co. KG. Auf den Kaufland Eigenmarken ist „hergestellt für Kaufland Warenhandel GmbH & Co. KG“ aufgedruckt. Die Website wird von Kaufland Omnichannel International
GmbH & Co. KG verantwortet. Die höchste Nummer für Kaufland Vertrieb ??? GmbH & Co. KG, die der Verfasser im Internet gefunden hat, war 136. Hier fand sich unter
http://www.firmendaten.info/Neckarsulm/74172/Kaufland+Vertrieb+136+GmbH +%26amp%3B+Co.+KG.html folgener Text aus einer Handelsregistereintragung:
„Kaufland Vertrieb 136 GmbH & Co. KG, Neckarsulm (Rötelstraße 35, 74172 Neckarsulm, Der Handel mit und Vertrieb von Waren aller Art einschließlich aller food- und nonfood-Artikel).
Kommanditgesellschaft. Allgemeine Vertretungsregelung: Jeder persönlich haftende Gesellschafter vertritt einzeln. Jeder persönlich haftende Gesellschafter ist befugt, im Namen der Gesellschaft
mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Persönlich haftender Gesellschafter: KL-136-Geschäftsführungs-GmbH, Neckarsulm (Stuttgart HRB 108660).
Persönlich haftender Gesellschafter: PVG Geschäftsführungs-KG, Neckarsulm (Amtsgericht Stuttgart HRA 104759), von der Vertretung ausgeschlossen.“
Kaufland ist ein Teil der Schwarz-Gruppe, zu der auch Lidl gehört und hinter welcher der 77jährige Dieter Schwarz aus Heilbronn steht, dessen Vermögen von Forbes auf 14,6 Mrd. $ geschätzt wird
(Platz 47 der Weltrangliste). Die Gruppe ist lt. https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/28/Lidl_schwarz_beteiligungen.svg wie folgt aufgebaut:
Wie die KL-136-Geschäftsführungs-GmbH und die PVG Geschäftsführungs-GmbH mit der Schwarz Beteiligungs GmbH zusamenhängen, ließ sich nicht auf die Schnelle kären.
Über die Motive für die sehr undurchsichtige Struktur der Firmengruppe kann nur spekuliert werden. Ein mögliches Motiv könnte sein, dass sich der Global Player rechtlich gern als ca. 500 selbständige mittelgroße Unternehmen darstellen und damit größenabhängige Vergünstigungen in Anspruch nehmen will, die einem Großunternehmen nicht zustehen würden.
Selbst das Leitungspersonal der einzelnen Geschäfte überblickt die Firmenstruktur nicht bzw. nimmt sie nicht ernst. Die Hausleiterin der fraglichen Filiale wusste z.B. nicht, wann sie für Kaufland Vertrieb 35 GmbH & Co. KG und wann für Handelshof GmbH & Co. KG unterschreiben musste. Vor dem Arbeitsgericht bezeichnete sie die Kaufland Dienstleistung GmbH & Co. KG als zentrale Personalabteilung. Rechtlich erbringt diese Gesellschaft aber mit der Anmeldung der Lohnsteuer Dienstleistungen nach dem Steuerberatungsgesetz, und hat vermutlich nicht die dafür geforderte Qualifikation. Es stellt sich deshalb die Frage, ob man diese Vielzahl der ins Handelsregister Stuttgart mit Sitz in der Rötelstraße 35 in Neckarsulm eingetragenen Gesellschaften nicht auch als Briefkastenfirmen bezeichnen kann. Diese Bezeichnung ist schließlich nicht für Unternehmen mit Sitz in Panama reserviert.
Nach §§ 125a und 177a HGB müssen Handelsgesellschaften die Rechtsform, den Sitz der Gesellschaft, das Registergericht und die Nummer, unter der die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen sind, auf ihren Geschäftsbriefen angeben. Bei einer Gesellschaft, bei der kein Gesellschafter eine natürliche Person ist, sind auf den Geschäftsbriefen ferner die Firmen der Gesellschafter anzugeben sowie für die Gesellschafter die nach § 35a GmbHG oder § 80 des AktG für Geschäftsbriefe vorgeschriebenen Angaben zu allen Geschäftsführer und, sofern die Gesellschaft einen Aufsichtsrat hat, der Vorsitzende des Aufsichtsrats mit dem Familiennamen und mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen zu machen. Auch diese gesetzliche Verpflichtung wird von den Kaufland GmbH & Co. KGs durchgängig missachtet. Es fehlen alle Angaben zu den Komplementär-GmbHs. Das kann kein Versehen sein. Herr Dieter Schwarz meint anscheinend, dass die Gesetze für ihn und seinen Konzern nicht gelten würden.
Das Kündigungsschreiben vom 01.09.16 war so fehlerhaft, dass die Verkäuferin die Kündigung nach § 174 Satz 1 BGB zurückweisen konnte. Weil nicht die Geschäftsführer unterschrieben hatten musste
nach dieser Vorschrift eine Vollmacht des Unterzeichners beigefügt werden. Es wurde auch eine Vollmacht für den Verkaufsleiter Herrn B. mitgeschickt, unterschrieben hat aber die Hausleiterin Frau
S. Mit der Zurückweisung wurde noch nicht beanstandet, dass die Vollmacht nicht von der Kaufland Vertrieb 35 GmbH & Co. KG ausgestellt wurde, sondern von der Handelshof GmbH & Co. KG und
die Vollmacht eines anderen Unternehmens die Kassiererin nicht zu interessieren hatte. Weiter wurde noch nicht erwähnt, dass die Unterschriften der Geschäftsführer nicht den Anforderungen des §
17 HGB entsprachen (vgl. http://mueller-consulting.jimdo.com/organisation/unterschriften/ ), und dass die Kündigung „im Auftrag“ und nicht „in
Vollmacht“ unterschrieben wurde; von der Vollmacht wurde also kein Gebrauch gemacht. Einer weiteren Kündigung vom 18.10.16 war nun eine Vollmacht für Frau S. beigefügt, sie hatte aber noch die
weiteren Fehler. Zusätzlich befand sich jetzt über der Unterschrift ein Firmenstempel der Handelshof GmbH & Co. KG – das Schreiben war also gar keines der Kaufland Vertrieb 35 GmbH & Co.
KG. Kaufland hat sich also in den formalen Fallstricken verfangen, die die Schwarz-Gruppe mit seiner unübersichtichen Konzernstruktur selbst gespannt hatte.
Kaufland hat sich in dem Verfahren vom Arbeitgeberverband vertreten lassen. Der hat aber weder auf die Klageschrift, noch auf spätere Aktualisierungen geantwortet und der Darstellung der
Verkäuferin also nicht widersprochen. Wer vor Gericht schweigt stimmt zu!
In den Wochen und Monaten nach der Kündigung erhielt die Kassiererin mehrfach Gehaltsabrechnungen, in denen ihr im Ergebnis Stück für Stück Recht gegeben wurde. In der mündlichen Verhandlung vom
11.11.16 wurde schließlich ein Vergleich geschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis zum 31.12.16 aufgelöst und die Verkäuferin von der Arbeit freigestellt werden sollte. Eine Woche später zog
Kaufland seine Zustimmung aber wegen einer Kleinigkeit zurück und machte einen neuen Vorschlag. Man dachte aber nicht daren, den Vertrag vorsorglich zum 31.12.16 zu kündigen; wie eine
ordnungsgemäße Kündigung unterschrieben werden musste war in den eingereichten Schriftsätzen genau beschrieben. Weil dieser dieser Vorschlag in einem Detail nicht durchführbar war nahm die
Klägerin ihn nur unter einem Vorbehalt an, was das Gericht als Ablehnung wertete. Und plötzlich griff wegen Ablauf der 6-Monats-Frist nach § 1 Abs. 1 KSchG der Kündigungsschutz. Am 17.02.17
einigte man sich in einem jetzt wirksamen Vergleich darauf, dass das bis zum 30.06.17 befristete Arbeitsverhältnis vorzeitig zum 15.03.17 endete.
Im Ergebnis hat sich der Global Player mit Filialen in Polen, Tschechien, Rumänien, Kroatien, Bulgarien und der Slowakei von einer kleinen Kassiererin in einer öffentlichen Gerichtsverhandlung vorführen lassen. Für 5 Wochen Arbeit hat sie am Ende 39 Wochen Gehalt bekiommen. Jetzt weiß alle Welt, dass Kaufland nicht einmal in der Lage ist, einen Brief richtig zu unterschreiben!
Meine Seite wird noch immer so oft geklickt, dass sie auch ohne Suchmaschinenoptimierung (ist im kostenlosen Paket nicht enthalten) bei Google gut gefunden wird. Am 14.10.19 hatte ich bei der Eingabe "betrügt Kaufland Arbeitnehmer" die Position 1 (von 481.000) der Trefferliste.