Entscheidungsfindung in der Politik


Man sollte bei einer schwerwiegenden Entscheidung die Chancen nutzen, deren Eintritt einigermaßen wahrscheinlich ist und Risiken vermeiden, deren Konsequenzen bei ihrem Eintritt existenzvernichtend wären. Wenn man zwischen zwei entgegengesetzten Richtungen entscheiden muss, sollte man für beide Wege die wahrscheinlichen Folgen sowie Chancen und Risiken abwägen.

Es kommt vor, dass Politiker unter erheblichem Druck Entscheidungen von großer Tragweite fällen müssen. Die Bürger erwarten dann, dass hierbei das Für und Wider sorgfältig bewertet wurde. Mögliche Fehlentscheidungen sind schwerer zu ertragen, wenn die Fehler erkennbar waren. Es soll hier kurz skizziert werden, welche Entscheidungssituation Anfang bis Mitte März 2020 in der Corona-Krise gegeben war.

Der Sachverhalt ist unstrittig. Aus China war eine neuartige und hochansteckende Infektionskrankheit bekannt, gegen die es weder einen Impfstoff, noch ein Medikament gab. Der Krankheitsverlauf ist überwiegend glimpflich und vielfach treten gar keine Symptome auf. Die Entwicklung und Zulassung eines neuen Medikaments dauert unter normalen Bedingungen mindestens 5 Jahre. In China wurde ein Medikament aus kubanischer Produktion erfolgreich eingesetzt. Ein sächsischer Unternehmer als möglicher Importeur für dieses Mittel hat dafür aber in Deutschland keine Arzneimittelzulassung erhalten. Es war also erkennbar, das mindestens bis Ende 2021 kein Medikament oder Impfstoff zur Verfügung stehen wird. Alte und Kranke haben nach dem ersten Eindruck aus der Statistik ein erhöhtes Todesrisiko bei einer Covid-19-Infektion. Allerdings betreffen auch ohne Corona über 90 % aller Todesfälle Personen ab 60, obwohl diese Gruppe nur 28 % der Bevölkerung ausmacht. Von ihnen sterben 96,6 % an Krankheiten; bei den unter-60-jährigen sind es aber auch 87,5 %. Alte und Kranke haben also sowieso ein erhöhtes Todesrisiko, auch ohne Corona!

In dieser Situation gab es also zwei entgegengesetzte Wege - eine sprichwörtliche Entscheidung zwischen Pest und Cholera. Der Bürger darf aber erwarten, das gerade solche Entscheidungen sehr sorgsam abgewogen und nicht aus einem Bauchgefühl heraus gefällt werden. Diese beiden Wege lassen sich wie folgt beschreiben:

Weg 1:
Man versucht mit Quarantänemaßnahmen die Ausbreitung des Virus zu verhindern. Damit wird eigentlich nur etwas Zeit gewonnen, denn bei Aufhebung der Maßnahmen wäre das Virus noch vorhanden. Eine Quarantäne über 18 Monate bis zur Einsatzbereitschaft eines Impfstoffs ist aber nicht wirklich durchführbar. Die enormen wirtschaftlichen Schäden würden hingenommen.

Weg 2:
Man lässt die Verbreitung des Virus zu und versucht, die gesundheitlichen Folgen notdürftig zu bewältigen. Die Hightech-Medizin müsste vorübergehend durch eine einfache Massenversorgung ersetzt werden. Risikogruppen könnten unter Quarantäne gestellt werden. 

Beide Wege hätten die Möglichkeiten, dass die erwarteten Folgen eintreten, dass die Folgen gravierender werden können oder weniger schlimm wären.

Weg 1 – Erwartung:
Mit einer dreizehnstelligen Schadenshöhe und fünfstelligen Zahlen bei den Todesopfern war bei einer mehrmonatigen Krise zu rechnen. Die Erwartung ist dabei, dass der Kreis der Betroffenen auf Menschen mit geringer Restlebenserwartung beschränkt werden kann.

Weg 1 – Chance:
Wenn selbst ein in China erfolgreich eingesetztes Medikament in Deutschland keine Arzneimittelzulassung bekommt, kann mit der schnellen Entwicklung eines Impfstoffes nicht gerechnet werden. Man kann nur hoffen, dass sich während des wirtschaftlichen Shutdowns ein Nachholbedarf aufbaut, der nach der Krise zu einem schnellen Aufschwung führen würde. Darauf können aber nicht alle Branchen hoffen.

Weg 1 – Risiko:
Es besteht die Möglichkeit, dass auch mit weitgehenden Kontaktbeschränkungen die Neuinfektionen nicht signifikant gesenkt werden können. Dann hätte man den wirtschaftlichen Schaden und gleichzeitig hohe Zahlen an Todesopfern.

Weg 2 – Erwartung:
Hier ist mit sechsstelligen Todesopferzahlen zu rechnen. Angehörige von Risikogruppen hätten bei einer Infektion keine Überlebenschance. Die knappen Behandlungskapazitäten müssten gezielt für Patienten mit guten Überlebenschancen eingesetzt werden. Der wirtschaftliche Schaden würde minimiert.
 
Weg 2 – Chance:
Die Kontaktbeschränkungen bei Risikopersonen könnten sich als wirksam herausstellen, und zu deutlich niedrigeren Todesopferzahlen führen als befürchtet.

Weg 2 – Risiko:
Die Auswirkungen auf die Weltwirtschaft könnten so stark ausfallen, dass trotzdem ein hoher Schaden eintritt.

Kurzbewertung:

Weg 1 – Erwartung:    13-stelliger wirtschaftlicher Schaden ist existenzbedrohend
Weg 1 – Chance:          schnell verfügbare Medikamente sind unwahrscheinlich
Weg 1 – Risiko:             mit einem Misserfolg muss immer gerechnet werden – Risiko ist also real

Weg 2 – Erwartung:    nicht mehr als um 20 % erhöhte Todesfälle als ohne Pandemie
Weg 2 – Chance:         nicht unwahrscheinlich, dass gezielte Isolation wirkt
Weg 2 – Risiko:            auf keinen Fall annähernd so hoher Schaden wie bei Weg 1

Nach der eingangs erwähnten Entscheidungsformel sprechen die Argumente eigentlich 3 : 0 für Weg 2. Warum hat sich die Politik dann aber für Weg 1 entschieden?

 

Der Atomausstieg 2011 (genauer: der Ausstieg aus dem Ausstieg vom Atomausstieg von 2002) war das Ergebnis eines Bauchgefühles der Kanzlerin nach den Reaktorunglück von Fukushima. Das lässt daran erinnern, dass nicht jede politische Entscheidung auf einer sorgfältigen Abwägung von Chancen und Risiken beruht.


75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist es für die Politiker anscheinend unvorstellbar, den Wert eines Lebens gegen andere Werte abzuwägen. Entscheidungen, die vor 80 Jahren jeder Leutnant zu treffen hatte, überfordern heute einen durchschnittlichen Politiker. Sie verweigern sich auch der Erkenntnis, dass jedes gerettete Leben auch eines Tages mit dem Tod endet und es also nur verlängert wird. So kommt es zu irrsinnigen Beträgen, die für einen Tag Lebensverlängerung als Schaden in Kauf genommen werden. Auf die Unterseite „Thema“ wird verwiesen.

Neben der Überforderung kann auch eine einseitige Beratung eine Rolle gespielt haben. Es werden hauptsächlich Mediziner und Juristen am Tisch gesessen haben. Beide Berufsgruppen sind eher risikoscheu. Man hat sich schlicht geweigert, undenkbares durchzudenken. Dagegen hat schon Karl Marx vor 150 Jahren den Kapitalisten die Bereitschaft bescheinigt, für ihren Profit über Leichen zu gehen. Diese kalte Berechnung hätte man in dieser Entscheidungssituation gebraucht. Die Ökonomen wird man aber nicht nach ihrer Einschätzung gefragt haben.  

Neben der Überforderung mit Denkblockade wird am Ende auch der Herdentrieb eine Rolle gespielt haben. In einer unsicheren Entscheidungsituation laufen auch Politiker einem Leithammel hinterher. Wäre die Abriegelung von Wuhan sofort nach der Entdeckung des Virus erfolgt, hätte die Pandemie verhindert werden können. Der chinesische Präsident hat verspätet reagiert, und zum Ausgleich wollte er umso entschlossener handeln. Damit hat er vielleicht unbewusst die Rolle des Leithammels übernommen, dem praktisch alle Politiker dieser Welt gefolgt sind. Weil die Hoffnung auf die schnelle Entwicklung von Medikamenten ein Wunschtraum ist, fuhr die Politik wie mit einem Lastwagen in eine Sackgasse, und sie kann dort nicht wenden. Jetzt muss der Rückwärtsgang eingelegt und vorsichtig manövriert werden.

Trotzdem konnte die Regierungspropaganda den Menschen einreden, dass die Regierung ein gutes Krisenmanagement zeigt. Viele Gutmenschen teilen wohl auch die Wertvorstellungen der Regierenden, dass Leben um jeden Preis gerettet werden müsse, selbst wenn man es nur um einige Monate verlängern kann. Ob sie auch noch so denken, wenn ihnen - natürlich nach der nächsten Bundestagswahl - die Rechnung für diese Politik präsentiert wird?

Politik ist zu wichtig, um sie den Politikern zu überlassen!