Nach der Wahl in den USA am 03.11.20 habe ich die Einschätzung „Donald Trump – ein verfrühter Nachruf“ verfasst. Nach den Ereignissen vom 06.01.21 wäre sie zu ergänzen.
Trump hat gezündelt, aber der politische Sprengstoff war schon vor ihm vorhanden. Es gibt in weiten Teilen der Bevölkerung der USA einen tiefen Hass gegen das politische Establishment. 2016 haben
viele Menschen Trump gewählt, weil er es nicht nötig hatte, korrupt zu sein – er war es trotzdem. Das hat seine Anhänger aber nicht verunsichert. Der harte Kern von ihnen will einfach nur das
politische Establishment zum Teufel jagen, und dafür ist ihnen jeder Weg und jeder Akteur recht. Diese Distanz zwischen Volk und Politik hat sich über Jahrzehnte aufgebaut. Und das
undemokratische Wahlsystem senkt die Hemmschwelle, ein Wahlergebnis nicht anerkennen zu wollen.
Es ist zu befürchten, dass die deutschen Politiker aus den Vorgängen in Washington Kapital schlagen wollen. Sie werden versuchen, Trumpisten, Lockdown-Kritiker und AfD in einen Topf zu werfen.
Die AfD war die einzige Partei, die sich einen Wahlsieg Trumps gewünscht hat. Jetzt wird auch ihr Gewaltbereitschaft und die Missachtung von Wahlergebnissen unterstellen, wofür es keine
Anhaltspunkte gibt. Stattdessen sind es die Altparteien, die frei gewählte Abgeordnete behindern und isolieren, und damit Wahlergebnisse missachten.
Man wird auch den Lockdown-Kritikern und Querdenkern eine politische Nähe zu Trump unterstellen, weil Trump die Wirtschaft nicht für die Bekämpfung des Virus zerstören wollte. Es gab aber auch
Themen, bei denen die Bundesregierung Trump unterstützt hat. Auf die übereinstimmenden Meinung zu Einzelfragen muss keine politische Liebesheirat folgen. Um in diesem Bild zu bleiben wäre die
Beziehung zu Trump seitens der Querdenker höchstens ein one-night-stand, während sich die Bundesregierung etwas widerwillig prostituiert hat.
Der politische Hass ist in Deutschland und Europa weniger stark ausgeprägt als in den USA, aber was nicht ist, kann noch werden. Mit ihrem Aufruf zum totalen Krieg gegen das Virus hat die
Regierung Spahn-Merkel das Volk fanatisiert und aufgehetzt. Sie geht ein hohes Risiko ein. Wenn sie diesen Krieg verliert, wenn die Zahlen trotz härtestem Lockdown nicht sinken, wenn die Impfung
nicht wirkt oder Impfschäden verursacht und wenn der von Prof. Sinn berechnete Wertverlust des Euro von 84 % eintritt, dann wird das Volk diese Regierung Spahn-Merkel grillen wie ein Spanferkel!
Anfang November 2020:
Ein Gespenst geht um in Amerika, das Gespenst des Populismus! Alle Mächte des Alten Amerika haben sich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dieses Gespenst verbündet (frei nach Karl Marx und
Friedrich Engels aus den ersten beiden Sätzen des Kommunistischen Manifests). Mit Joe Biden hat der Kandidat des politischen Establishments gegen die Populisten gewonnen; ein Konservativer mit
Unterstützung von Linken.
Wir haben gelernt, dass das Wahlrecht der USA aus dem 18. Jahrhundert stammt. Es ist auf die Person bezogen, nicht auf politische Positionen. In einer Zeit absolutistischer Herrscher in Europa
was es ein demokratischer Fortschritt, dass sich das Volk seinen König wählen konnte, und er nur auf Zeit regierte. Das Prinzip, dass sich jeder Bundesstaat für einen Kandidaten entscheidet und
die Minderheit nicht beachtet wird, war damals ein Kompromiss zwischen Föderalisten und Zentralisten. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts haben sich in Europa entlang der sozialen Milieus
(Arbeiterschaft, Kirchen, Bildungsbürgertum) politische Parteien mit Sachthemen gebildet. Das britische Mehrheitswahlrecht, bei dem es jahrzehntelang drei etwa gleich große politische Lager gab,
die Liberalen aber kaum Sitze im Parlament bekamen, weil sie keine Hochburgen hatten, ist unter heutigen Bedingungen genauso undemokratisch. Heute können die britischen Konservativen mit einem
Drittel der Stimmen zwei Drittel der Sitze bekommen.
Bei solchen Wahlsystemen kann kaum ein Respekt vor demokratischen Prinzipien entstehen; es geht um Macht. Die Trump-Anhänger wollten 2016 vor Allem das verhasste politische Establishment zum
Teufel jagen, und vielen von ihnen war egal, was danach kommt. Dieser Unmut ist mit dem Wahlausgang 2020 noch immer vorhanden, und er kann sogar noch wachsen. Mit einer Modernisierung des
Wahlrechts könnte er sich langsam abbauen. Aber auch die Demokraten haben kein Interesse an demokratischen Wahlen. Die Einführung eines Verhältniswahlrechts würde zur Bildung neuer Parteien
führen, und es müsste niemand mehr einen Kandidaten wie Joe Biden unterstützen, um einen Donald Trump zu verhindern. Das wäre das Ende der Demokratischen Partei in ihrer jetzigen Form. Vermutlich
würden sich dann auch die Republikaner in Trump-Anhänger und -Gegner spalten; das wäre für die Mächtigen in den beiden Parteien aber nur ein schwacher Trost. Also wird es bei der Zweiteilung des
Landes und dem Machtduopol der alten Parteien bleiben.
Donald Trump inszeniert einen unfriedlichen Machtwechsel, um eine politische Richtung des Trumpismus zu begründen. Dafür muss er eine Dolchstoßlegende entwickeln, nach der das politische
Establishment mit Unterstützung des Auslands (Europa) dem Volk, das 2016 gegen die alten Eliten gestimmt hatte, die Macht wieder entrissen hat. Vielleicht will er eine politische Dynastie wie die
Le Pens in Frankreich begründen, aus der seine Kinder bei zukünftigen Wahlen antreten können, z.B. als Senatoren in republikansich-dominierten Bundesstaaten. Er wird versuchen, die Republikaner
zu beherrschen, die ohne die Trumpisten keine Wahlen mehr gewinnen können.
Joe Biden könnte einen Pyrrhussieg errungen haben, wenn er die Trumpisten nicht befrieden und nicht gleichzeitig alle gegensätzlichen Interessen seiner bunten Unterstützerschar bedienen kann.
Trump wird es dagegen leichter haben, seine Anhänger mit Unterstützung der religiösen Fundamentalisten hinter sich und seiner Familie zu sammeln. Ein sich durchwurschtelnder Präsident Biden ohne
Visionen hätte in 4 Jahren keine Chance!